Ein kleines Kreuz voller Papierfetzen

Erstellt am 07.04.2023

Ausdruck von Sprachlosigkeit und Entsetzen

Pfarrerin Martina Heubach mit Holzkreuz

Foto: Pfarrerin Martina Heubach mit dem kleinen Holzkreuz voller schlechter Nachrichten

Oer-Erkenschwick - Bei der Frühjahrssynode des Ev. Kirchenkreises in Oer-Erkenschwick hatte Pfarrerin Martina Heubach ein kleines Holzkreuz, ca. 30 - 40cm hoch, von zuhause mitgebracht. Sie und ihr Mann Uwe, Pfarrer im Ruhestand und Notfallseelsorger, haben es sich zu eigen gemacht, schlechte Nachrichten aus der Zeitung auszuschneiden und an das Kreuz „mit Heftzwecken festzunageln“, so sagte es Heubach in ihrer Predigt. „Dieses kleine Kreuz voller schlimmer Nachrichten, war der Ausdruck unserer Sprachlosigkeit und unseres Entsetzens angesichts der verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien, war Ergebnis der Erzählungen meines Mannes, der als Notfallseelsorger nach dem Unglück in Recklinghausen, bei dem zwei Kinder von einem Zug erfasst wurden.“

Zusammengekommen ist ein Sammelsurium von Meldungen wie dem mehr als ein Jahr dauernden Krieg in der Ukraine, die Hinrichtungen junger Demonstranten im Iran oder der gewaltsame Tod einer 12-jährigen durch gleichaltrige Mädchen. Mittlerweile ist das Kreuz so voll, dass vom Fichtenholz kaum noch etwas zu sehen ist.

Seit Anfang Februar steht das Kreuz im Flur des Hauses von Familie Heubach. Bei den Besucher.innen löst es ganz unterschiedliche Reaktionen aus. „Es sagt viel, ohne viele Worte zu machen,“ sagt Pfarrerin Heubach. Für sie muss das Kreuz stören und zeigen, wie die Welt wirklich ist und von einem verklärten Heile-Welt-Geschwafel befreien. „Das Kreuz hilft uns aber auch, unseren ureigensten Auftrag zu sehen, nämlich sich am Leid nicht vorbeizuschleichen, sondern rechtzeitig in die Auseinandersetzung zu gehen …“

Die erfahrene Theologin weiß, dass durch das Anbringen am Holz kein einziges dieser fruchtbaren Geschehnisse rückgängig gemacht werden kann. Aber ihr hat es gut getan, sie hat Beruhigung in sich gefühlt, ein Ausruhen, ein Luftholen inmitten all dieses Leides der Welt. „Ich kann als Christin alles das, was mich bedrückt, aus der Hand geben und es ans Kreuz nageln, sozusagen Jesus Christus damit behaften. Jesus ist für uns am Karfreitag gestorben und wir können seitdem alles, was uns bedrückt, vor ihn bringen und bei ihm ablegen.“ (JE)

Fotos: Jörg Eilts