Erinnerung mit Zukunft

Friedensgang bewegt die Menschen in Recklinghausen

 

Foto Mit den Vertreter:innen der verschiedenen Religionsgemeinschaften, darunter Superintendentin Saskia Karpenstein und Dr. Barbara Gierull vom Ev. Kirchenkreis (5. bzw. 4. von rechts) nahmen auch zahlreiche Vertreter:innen der Stadtgesellschaft am Friedensgang zur Synagoge teil

 

Frau Dr. Barbara Gierull, Mitorganisatorin und Beauftragte für den Christlich-Jüdischen-Dialog im Ev. Kirchenkreis, zeigte sich über den Zuspruch der neuen Gedenkveranstaltung hochzufrieden: „Das war wirklich sehr schön. Es waren viel mehr Leute da, als wir gedacht haben.“

Über 100 Menschen machten sich am 27. Januar zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus auf den Weg zur nahegelegenden Synagoge. Startpunkt war die Ev. Christuskirche in der Limperstraße. Organisiert wurde der erste „Friedensgang“ von der Jüdischen Kultusgemeinde, den muslimischen Gemeinden und der Evangelischen und Katholischen Kirche.

Nach einer kurzen Begrüßung durch Superintendentin Saskia Karpenstein setzten sich die Teilnehmer:innen, darunter auch sehr viele junge Menschen, mit dem Glockengeläut vom Turm der Christuskirche in Bewegung. In Anlehnung an die Deportation der Jüdinnen und Juden durch das NS-Regime hatten viele einen Koffer mitgebracht, andere trugen ein Schild mit der Aufschrift #weremember.

In der Synagoge ging es mit einem gemeinsamen Friedensgebet weiter. Kantor Isaac Tourgman und Marc Gutkin (Jüdische Kultusgemeinde), Erdinc Ergün (Moschee-Gemeinde Dortmunder Straße in Recklinghausen), Propst Karl-Hermann Kemper (Kreisdechant und Propst) sowie Saskia Karpenstein (Superintendentin Ev. Kirchenkreis) erinnerten mit ihren Reden an die Greueltaten und mahnten zur Wachsamkeit. Bürgermeister Christoph Tesche lobte in seinem Grußwort ausdrücklich das Engagement der Initiator:innen und betonte, dass sich das Geschehene „Nie wieder“ wiederholen darf.

Der Chor der Synagoge und Kreiskantorin Elke Cernysev (Ev. Kirchenkreis) sorgten für die musikalische Untermalung. Bemerkenswert war auch der Vortrag der vier Schüler:innen des Hittorf Gymnasiums. Sie stellten einen Teil ihres Schulprojekts „Spuren jüdischer Geschichte - eine Zeitreise durch Recklinghausen“ vor. Sie hatten zwei perfide Briefe mitgebracht, mit denen sich damals deutsche Bürger schon vor der Deportation der Juden sich deren Eigentum, Wohnungen und Häuser unter den Nagel reißen wollten.

Für Schüler Philip van Sprang, der sich auch in der Kirchengemeinde Recklinghausen-Altstadt engagiert, war es eine bewegende Gedenkfeier der verschiedenen Religionen: „Die Atmosphäre in der Synagoge und der „Koffermarsch“ waren sehr berührend.“  Und Dr. Gierull war sich sicher, das war nicht der letzte „Friedensgang“, auch wenn es in der Organisation vielleicht an einigen Stellen noch etwas hakte: „Der Ablauf war hier und da etwas improvisiert, aber von der Atmosphäre war es wunderbar. Sehr getragen, wirklich erinnerungsträchtig - traurig, aber ohne die Hoffnung zu verlieren. Es war Erinnerung mit Zukunft.“

 

Foto: Jörg Eilts