Herausforderungen für die Zukunft

Kreissynode tagte digital

Kirchenkreis. Bereits zum zweiten Mal tagte die Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Recklinghausen in digitaler Form. Obwohl die Corona-Situation sich spürbar verbessert, war ein Zusammenkommen in der großen Christuskirche so nicht möglich gewesen. Deswegen wurde die Synode wieder digital durchgeführt, erstmalig an einem Montagabend. Mit professioneller Unterstützung entstand im Saal im Haus des Kirchenkreises ein kleines Studio, von wo aus Superintendentin Saskia Karpenstein und Assessorin Kirsten Winzbeck die Synode leiteten. Die Mitglieder der Kreissynode nahmen von zuhause digital an der Synode teil.

In seinem ersten Video-Gruß an die Kreissynode als Landrat des Kreises Recklinghausen hob Bodo Klimpel die besondere Rolle der Kirche hervor und dankte für die wertvolle Arbeit der Kirchen in der Corona-Krise. Für Recklinghausens Bürgermeister Christoph Tesche ist Kirche eine Herzensangelegenheit. In seinem digitalen Grußwort begrüßte er den kurzen und guten Draht zueinander und sprach der Synode Mut zu. Landeskirchenrätin Barbara Roth überbrachte die Grüße von Präses Annette Kurschus, die dafür wirbt, die Möglichkeit und Kraft des Gebets wieder mehr zu nutzen und zu leben. Viele Herausforderungen liegen vor der Kirche, die nur gemeinsam anzugehen und zu lösen seien, im Miteinander der verschiedenen Berufsgruppen auf den unterschiedlichen Ebenen.  

Grüße aus der Nachbarschaft überbrachte Superintendent Steffen Riesenberg aus dem Kirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten. Er betonte das Gemeinsam unterwegs sein im sogenannten Gestaltungsraum. Bis Ende 2022 werde die Gründung eines Kirchenkreis-Verbandes zwischen beiden Kirchenkreisen vorbereitet, in den die gemeinsamen Aufgaben wie die Verwaltung und ein Teil der Referate und Dienste übertragen werden. Dies sei ein interessanter und spannender Weg, bei dem beide Seiten viel voneinander lernen können.

In seinem letzten Grußwort hob Propst Jürgen Quante die gute gelebte Ökumene hervor. Er dankte für das gute Klima in der Stadt und das erfolgreiche Zusammenarbeiten in Politik und Gesellschaft. Gegenseitiges Wohlwollen und Respekt habe das Miteinander geprägt. Quante sprach auch die gegenwärtigen großen Probleme der katholischen Kirche an, die immer mit der Frage nach dem Amt verbunden sind. Manche in der katholischen Kirche hätten die Befürchtung, dass diese zu evangelisch würde. Dazu zitierte Quante den Dichter Friedrich Hölderlin: „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Superintendentin Saskia Karpenstein dankte Propst Quante für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit und bedauerte, dass diese nicht länger hat sein können.

„Kommt her zur mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.“ Unter diesen Bibelvers aus dem 11. Kapitel des Matthäus-Evangeliums stellte Superintendentin Saskia Karpenstein ihren ersten Bericht in ihrem neuen Amt. Darin eingeflossen sind die Berichte der Kirchengemeinden und der verschiedenen Arbeitsbereiche des Kirchenkreises. In ihrem Bericht nimmt Karpenstein die Themen des vergangenen Jahres auf, das an vielen Stellen durch die Corona-Pandemie geprägt war und immer noch ist. Das macht es auch schwierig, den neuen Kirchenkreis kennen zu lernen. Präsentische Besuche in Gottesdiensten und Presbyterien waren bisher nur selten möglich. „Aber es steht noch einiges auf meiner To-Do-Liste“, sagte die Superintendentin mit Blick auf geplante Termine.

Dank digitaler Formate war jedoch einiges realisierbar. Aber bei manchen Themen kommt das Digitale an seine Grenzen. „Face-to-face hat einfach eine andere Qualität. Es ergeben sich andere Möglichkeiten, einander wahrzunehmen“, machte Karpenstein deutlich und hofft, dass in Zukunft bald wieder mehr Live-Formate möglich sind.

Der Blick in die Berichte der Gemeinden und Arbeitsbereiche zeige die Größe und Vielfalt des Kirchenkreises. „Es tut gut, voneinander zu wissen und zu lesen. „Lust und Frust, Best-Practise, Veränderungsthemen verbinden uns“, sagte die Superintendentin und bedankte sich für alle Mühe und Offenheit. Die Corona-Pandemie hat zu einem tiefen Einschnitt in Kirche und Gesellschaft geführt. Kontaktbeschränkungen haben den Alltag massiv verändert. „Wir müssen als Kirche nun damit umgehen, dass wir Menschen nicht haben begleiten können. Wir haben Kinder und Alte vor Einsamkeit nicht schützen können und werden uns viel zu verzeihen haben.“ Für die Zukunft werde sich Kirche vielen Fragen und Herausforderungen stellen müssen: Wie gestalten wir Gemeindeleben? Wie gehen wir auf Neues zu? Wovon dürfen oder müssen wir uns verabschieden?

Karpenstein nahm mit den interprofessionellen Pastoralteams noch einmal ein Thema der Landessynode auf, die bereits in drei Kirchengemeinden des Kirchenkreises unterwegs sind. Hier nehmen Diakoninnen gemeinsam mit den Pfarrerinnen und Pfarrern in der Gemeinde pastorale Aufgaben wahr. Begabungen und Professionen sollen sich ergänzen. Die Landessynode hat dazu ein Konzept verabschiedet. „Letztlich ist es auch eine Antwort auf eine Mangelsituation, in dem Fall ein zukünftiger Personalmangel bei den Pfarrpersonen.“ Auf allen kirchlichen Ebenen wird diskutiert werden, welche Dienste und Funktionen sich Kirche noch leisten kann und wofür noch Personal zu finden ist.

Kirche werde in der Gesellschaft meist als Ganzes wahrgenommen, nicht konfessionell getrennt. „Wir werden als Kirche genau beobachtet unter den Fragen, wie wir umgehen mit Diversität, wie bzw. ob wir den Schutz vor sexualisierter Gewalt ernst nehmen.“ Karpenstein brachte ihre Sorge zum Ausdruck, dass die vielen Umstrukturierungen und Binnendiskussionen dazu führen, dass der Blick für das Außen verloren werde. Die aktuellen Herausforderungen hießen Corona, Digitalisierung, Traditionsabbruch, Klimawandel, Gerechtigkeit etc. „Wir werden als Kirche immer schneller reagieren und entscheiden müssen, weil wir in der Vergangenheit vielleicht zu wenig umgesteuert haben: in puncto Personal, Gebäude, Finanzen, Formen der Gemeindearbeit.“

Karpenstein beklagte den Mangel an Digitalisierung in der Kirche. Für viele Gemeindeglieder sei es ein Affront, wenn mit Beamer und Leinwand in der Kirche gearbeitet wird. „Wir reisten bisher quer durch die Landeskirche und durch Deutschland und niemand kam auf die Idee, Video-Konferenzen zu nutzen. Wir halten an Schaukästen fest in Zeiten, in denen nicht nur die Jüngeren, sondern die halbe Welt googelt." Die Digitalisierung in der Kirche kam in der Corona-Pandemie aus der Not heraus. „Corona zwingt uns Kontaktbeschränkungen auf, ohne dass wir haben verabreden können, wie wir unter diesen Rahmenbedingungen unsere demokratischen und presbyterial-synodalen Prozesse und Kontakte pflegen können.“ Kirche habe hier keinen Wissensvorsprung, sondern sei Lernende, so Karpenstein. 

Traditionen verändern sich stärker als in früheren Jahrzehnten oder Jahrhunderten. Kirche steht schon länger in Konkurrenz zu anderen Anbietern und Einrichtungen. Religiöse Themen werden an Relevanz verlieren. Karpenstein teilt nicht die Sichtweise, dass Kirche nur immer besser werden muss, damit sie in ihren gewohnten Mustern weiter existiert. „Wir werden uns auf sinkende Zahlen einstellen müssen, unabhängig davon, wie gut unsere Arbeit ist. Wir müssen klären, wofür Kirche steht. Mit welchem Personal und Finanzressourcen können wir welche Arbeit zukünftig tun.“ Die Frage nach ehrenamtlichem und hauptamtlichem Nachwuchs werde eine der Zukunftsaufgaben sein.

„Bei allem, was wir tun oder lassen, muss es um unseren Auftrag gehen. Die Botschaft vom Kontaktangebot Gottes ist eine Botschaft, die Menschen miteinander in Kontakt und in Gemeinschaft bringt.“ Kommunikation des Evangeliums bedeute in Zukunft noch mehr vielfältige und gute Öffentlichkeitsarbeit: Gutes tun und darüber reden. Dabei warb die Superintendentin um ein Grundmaß an Vertrauen für die Verantwortlichen auf den unterschiedlichen Ebenen.

Aus aktuellem Anlass richtete die Kreissynode eine synodale Arbeitsgruppe aus Gemeinden und Kirchenkreis ein, die für die Herbstsynode eine Stellungnahme zu Antisemitismus erarbeitet. Dies soll in enger Zusammenarbeit mit der Jüdischen Kultusgemeinde geschehen. Die Organisation liegt bei Pfarrer Roland Wanke aus Marl, kreiskirchlicher Beauftragter für christlich-jüdische Zusammenarbeit im Kirchenkreis.

Die Synode beschloss zudem mit großer Mehrheit die Renovierung des Hauses des Kirchenkreises. Nach mehr als 40 Jahren sind größere Sanierungsmaßnahmen notwendig, um die Nutzung des Gebäudes weiter zu erhalten. Dabei spielt der Brandschutz eine besondere Rolle. Susanne Faltin, Architektin und Leiterin der Bau- und Liegenschaftsabteilung des Kreiskirchenamtes, erläuterte die vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen, Verwaltungsleiter Jürgen Bahl die damit verbundenen Kosten und deren Finanzierung in Höhe von 3,4 Millionen Euro. Ein vom Kreissynodalvorstand eingesetzter baubegleitender Ausschuss soll die anstehenden Arbeiten begleiten und auf die Einhaltung der Baukosten achten.

Zum Abschluss der Kreissynode bedankte sich Superintendentin Karpenstein bei allen Synodalen für ihr Mitwirken an dieser Form von Kreissynode. Ob die Herbstsynode im November wieder in Präsenz stattfinden kann, wird die Corona-Entwicklung zeigen.

 

Bildunterschrift: Superintendentin Saskia Karpenstein (rechts) und Assessorin Kirsten Winzbeck leiteten die Kreissynode aus dem Saal im Haus des Kirchenkreises.

Text und Foto: Ulrich Kamien, Ev. Kirchenkreis Recklinghausen, Referent der Superintendentin