02/12/2025 0 Kommentare
Gut integriert durch die Auszeit Marl
Gut integriert durch die Auszeit Marl
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Gut integriert durch die Auszeit Marl
Marl - Für die Politik ist er einer von vielen: Rzkar Mohammad Amin kam vor drei Jahren als sogenannter unbegleiteter, minderjähriger Flüchtling nach Deutschland, da war er 17. Seine Eltern und fünf Geschwister leben in Syrien.
Für die, die ihn kennen, ist er ein Freund, Helfer, Mitarbeiter – ein positives Beispiel. Er lebte zunächst in einer Flüchtlingsunterkunft in Köln, später in Marl, bevor er durch das Jugendamt an das Programm „Auszeit Marl“ der Ev. Jugendhilfe Recklinghausen Ambulant vermittelt wurde.
Ein Glück für Rzkar, aber auch für viele andere. Der inzwischen 20jährige wird in seiner eigenen Wohnung ambulant betreut, bei Behördengängen unterstützt, durch den Zuständigkeitsdschungel von Jobcenter und Jugendamt gelotst, in Schule und Ausbildung vermittelt. Mit Erfolg: Nach dem Besuch einer Flüchtlingsklasse am Berufskolleg Haltern, befindet er sich nun im zweiten Lehrjahr zum Hotelfachmann im Seehof am Halterner Stausee. Dort ist er gefragt und fühlt sich gut aufgehoben. Zur Zeit liegt sein Schwerpunkt in der Betreuung von Tagungsgästen. „Ich mag es, mit Menschen zu reden“, sagt er.
Aber nicht nur sein Arbeitgeber freut sich – auch das Team vom Jugendkulturzentrum Kunterbuntes Chamäleon und seine Besucher*innen. Jeden 2. Dienstag im Monat begleitet Rzkar dort eine Kochgruppe für Geflüchtete. Was auf den Tisch kommt, wird gemeinsam entschieden – am liebsten was mit Hähnchen. Schließlich sollen die Jugendlichen selbstständig leben und sich versorgen können - wenn sie mindestens 16 Jahre alt sind, vorher leben sie in Wohngruppen. Der junge Kurde mit syrischem Pass ist durch seine Arabisch- und Kurdischkenntnisse auch immer wieder als Übersetzer gefragt (wenn die entsprechenden Apps in kniffligen Situationen nur dummes Zeug erzählen).
Julian Diehl vom Team Auszeit schätzt ihn als Teamer: „Wenn ich etwas sage, kommt das bei unseren Besucher*innen anders an, als wenn Rzkar das sagt – einfach aufgrund seiner Erlebnisse und Erfahrungen“. Häufige Themen sind Asylverfahren, Schulwechsel und Krankenversorgung. „Statt einer Versichertenkarte haben die Geflüchteten sogenannte Behandlungsscheine, mit denen viele Ärzte und Apotheken aber völlig überfordert sind, weil es so selten vorkommt, dass jemand sie einreicht.“
So lange die Geflüchteten noch keinen Ausbildungsplatz haben, ist ihr Aufenthaltsstatus nicht sicher. „Regelmäßiger Schulbesuch ist kein Schutz vor Abschiebung“, weiß der Sozial-Pädagoge. „Wichtig ist den Behörden, dass sie sich selbst finanzieren und eine Ausbildung machen“.
Rzkar ist auf einem guten Weg. Mit seiner Familie, die im syrisch-türkischen Grenzgebiet lebt, hat er nur telefonischen Kontakt. Und wie stehen die Chancen, sie bald mal wieder real zu treffen? „Ist eine gute Idee, aber klappt nicht“, weiß er. Allein die Beschaffung von Reisepässen wäre in Syrien so teuer, dass man dafür sein Haus verkaufen müsste.
Rzkar hat Träume. Wenn alles gut läuft, möchte er später mal einen eigenen Lebensmittelladen mit Bistro eröffnen, und dazu im Hotel vorher noch vieles lernen und nach seiner Ausbildung dort arbeiten, auch wenn er bei Frühschichten an seinem Arbeitsplatz übernachten muss. Bessere Busverbindungen stehen ganz oben auf seiner Wunschliste. Nicht nur auf seiner. (Diakonie)
Foto: Katja Jacob
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