Mit Rechten reden

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Mit Rechten reden

Foto: Pfarrerin i.R. Gunhild Vestner freute sich über den Besuch von Pfarrer Dr. Frank Hiddemann bei der Evangelischen Akademie Recklinghausen.

Recklinghausen - Etwa einhundert Interessierte waren gekommen, um die Erfahrungen von Dr. Frank Hiddemann kennenzulernen. Er organisiert Gespräche unter Beteiligung von Rechtspopulisten. Hiddemann ist Leiter der Ökumenischen Akademie Gera und dort auch Gemeindepfarrer. Seit etwa 30 Jahren lebt er im Osten Deutschlands; aufgewachsen ist Frank Hiddemann im westfälischen Marl. 

Schon vor der Veranstaltung sagte eine Teilnehmerin: „Mit Rechten reden. Es wird uns nichts anderes übrigblieben“. Durch die Bundestagswahl ist deutlich geworden, dass Rechtspopulismus nicht nur ein Thema des Ostens ist, sondern auch im Ruhrgebiet die Frage nach der Form der Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Positionen gestellt ist. 

Als bestes Mittel gegen Rechtspopulismus galt lange die Verweigerung der Kommunikation. Wer „denen“ keine Bühne gibt und jede Auseinandersetzung meidet, schützt die Demokratie. Dr. Hiddemann sieht das anders und redet mit denen, mit denen sonst niemand redet, wie er von sich selbst sagt. Mehrfach betonte er an diesem Abend, dass er die Argumente in einer sachlichen Auseinandersetzung wieder stärken möchte, um dieses dem aktuellen Austausch von Gefühlen und Ängsten entgegenzusetzen: „Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der wieder Argumente ausgetragen werden.“ Hierin sieht Hiddemann einen zentralen Baustein für das demokratische Gemeinwesen. Er ist der Meinung, dass Rechtspopulismus im Sprachspiel der Argumentation nie gewinnen kann und dass Öffentlichkeit die beste Populismus-Prävention ist. 

In einem beeindruckenden – frei gehaltenen! – Vortrag stellte der Referent sein Konzept vor. Er organisiert hoch ritualisierte öffentliche Streitgespräche mit Demokratieskeptikern aller Art und moderiert Streitgespräche, Workshops und Podiumsdiskussionen mit Beteiligung der AfD. Er stellt ganz bewusst Settings her, in denen Menschen mit rechtspopulistischen Positionen gezwungen werden, zu argumentieren. Dazu nutzt er bewusst kirchliche Räume, weil sie eine stark regulierende Wirkung haben. „Kirchliche Räume wirken vor allem auf die, die in der Kirche nicht zu Hause sind“, stellte Hiddemann fest. 

Rechtspopulistisch orientierte Personen reden häufig nur in meinungshomogenen Gruppen und seien es nicht gewohnt in der Öffentlichkeit mit meinungsverschiedenen Gruppen zu sprechen. Für ein solches Gespräch sind klare Formen und Regeln von zentraler Bedeutung. Je weiter die Positionen auseinanderliegen, desto mehr muss ein öffentliches Gespräch ritualisiert sein. Eine Form sieht z.B. vor, dass sich zwei Personen (z.B. von CDU und AfD) zu einem bestimmten Thema kontrovers diskutieren und jede Person maximal drei Minuten Redezeit erhält, worauf die andere Person ebenfalls drei Minuten lang reagiert usw. Eine weitere Regel besteht darin, dass die Beiträge sich auf das Thema mit Argumenten beziehen muss. Thematisch sind lokale oder regionale Themen sehr geeignet. Die Rechten haben oft Phrasen, aber keine Lösungen für die regionalen Probleme. Fachleute aus Landratsämtern werden dazu ebenfalls eingeladen. Wenn es um die Brücken, den Nahverkehr oder die Schulen geht, spielen die Erzählungen über Migration und Europa eine geringere Rolle. Es folgt ein 30minütiges Publikumsgespräch mit straffer Moderation. Solche Formate benötigen erfahrene Moderator*innen, die eingreifen, wenn sich Situationen aufschaukeln, und wieder zum Thema sowie zu den Argumenten zurückführen. 

In diesen Veranstaltungen hat Dr. Hiddemann oft die Erfahrung gemacht, dass „der Gegner gar nicht so unglaublich groß ist“. Von zentraler Bedeutung ist für den Referenten die Öffentlichkeit solcher Veranstaltungen mit unterschiedlichen Meinungen und politischen Positionen. „Wenn hundert Leute da sind, achten hundert Leute mit auf die Regeln“. Hiddemann stellte weiterhin fest, dass in der evangelischen Welt eine gemeinsame Sicht auf die Welt und eine relative Einigkeit bestehe. Insbesondere in den Großstädten seien solche Meinungsblasen häufig anzutreffen. Es sei aber sehr wichtig, aus den eigenen Blasen herauszukommen und mit den politischen Gegnern in Kontakt zu kommen.

In der Diskussion nach dem Vortrag wurde deutlich, dass der Referent den Anwesenden zur Kommunikation mit rechtspopulistischen Positionen und Personen ermutigt hat. Aber es wurde auch darauf hingewiesen, dass das Gespräch am Gartenzaun, in der Familie oder im Sportverein eine andere Situation darstellt als ein öffentlicher Raum. Dies erfordert auch eine andere Reaktion. In jedem Fall solle die eigene abweichende Position markiert werden. Es gehe hier auch um die Konfrontation mit möglichen Folgen und die Widerlegung von falschen Fakten. Weiterhin sei es wichtig, deutlich zu machen, dass man die Meinung ablehne, aber nicht die Person. 

Nach der Veranstaltung diskutierten die Teilnehmenden noch lange vor der Tür weiter. Ein anregender und ermutigender Abend, an dem deutlich wurde, dass Demokraten im öffentlichen Raum ihre Werte und Positionen vertreten müssen. Dies ist auch eine Aufgabe der Evangelischen Kirche und eine Chance für kirchliche Räume. (pb)

Foto: Ulrich Kamien 

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